Mehr als Geldverdienen und Steuern zahlen sollte es schon sein. Als Studentin hatte ich mich gern an den Kampagnen der GAL beteiligt, aber ein grünes Parteibuch? Heilige Scheu und heiliger Bimbam.

Ich habe bis heute kein Parteibuch gesehen und bin ohne ein solches doch ordentliches Mitglied einer mittlerweile sehr ordentlichen Partei. An der ich das unordentliche vielleicht mehr gemocht habe? Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen also. Und das heißt: Ich beteiligte mich aktiv am politischen Leben, zeitweise als Sprecherin in Leipzig, gerne als Frau für Konzepte und Analysen.

Nach und nach Erfahrungen. Politik entpuppte sich als System, das sich meinen Spielregeln widersetzte. Ich merkte am eigenen Leib, dass über Schwimmen reden und selbst schwimmen doch zwei Paar Schuhe sind. Lernte den Unterschied zwischen wählen, mitreden, mitgestalten. Lernte, dass politische Diskurse nicht delegierbar sind. Lernte die Basis schätzen, lernte vernetzte Strukturen.

Ich fiel mehrfach auf die Nase, bis ich die heimlichen Spielregeln ebenso verstand wie die offiziellen. Bis ich wusste, wann bitte welche. Was ich sicher heute verstehe: wie dieses aktuelle Konzept der Parteipolitik sich am Leben erhält, wie es Abhängigkeiten schafft, welche Abhängigkeiten greifen und welche garantiert nicht, wo es Solidarität und Loyalität gibt und wo bitte nicht.

Einiges konnte ich nicht gut aushalten: Ich wurde aufmerksam und kapierte den Unterschied zwischen Authentizität und Integrität. Ich wurde achtsam und verstand den Unterschied zwischen emanzipatorischem Denken und grün verbrämter Hierarchie. Spannend.

Hier bekam ich neuen Zugang zum Thema Feminismus. War ich bei Bertelsmann die Frau, die das tat, was Männer tun, aber mehr davon? Ja, war ich. An der Hochschule? Auch, aber nicht nur. Hier traute ich mich unterm Mantel der Professur mehr Frau zu sein. Fand Spielräume für Intuition, Inspiration, für ein Leben mit beiden Füßen auf dem Boden und mit dem Kopf im Himmel.

Frauen. Männer. Unterschiede, die ich schätze und achte. Ich hatte in der Wirtschaft gut das lineare, auf Sieg ausgerichtete Männerdenken und –handeln erlernt. Ich war fit. Konnte alles erklären. Hummeln konnten erwiesenermaßen nicht fliegen. Rationalisierungen und digitales Denken waren ein wunderbares Instrument. Ich habe das gemocht. Es sichert Rechthaben und Besserwissen. Das hilft manchmal sehr.

Anschließend war es schwierig, mit Frauendenken und –handeln. Wenig gute erfolgreiche Lehrerinnen, noch weniger Lehrer weit und breit. Ich stümperte vor mich hin und habe lange gebraucht, mich wieder auf zirkuläres Entwickeln einzulassen, auf analoges Denken, auf Denken in Beziehungssystemen. Mühsam, mühsam! Und unendlich befriedigend. Heute ist die analoge Intervention mein kraftvolles Instrument zur Auflösung von Sackgassen und gordischen Knoten. Das ist was.

Und das ist sicher kein Thema im politischen System. Das niemandem zu erlauben scheint, wirklich bei sich zu sein und auf sich zu hören. Obwohl die, die wir alle schätzen, achten, die wir uns wünschen, genau das haben. Die Gorbatschows dieser Welt. Menschen eben, die nicht so sind wie ihr Foto: leblos, kraftlos, modern. Es liegt nicht nur am Schlips, tut mir leid.

Zwischendurch Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Als Sachverständige für Medien, in der Projektgruppe zur Gründung der grünen Akademie. Als Mitglied in der Mitgliederversammlung. Als Mitglied im Aufsichtsrat. Die Zeiten sind vorbei.

Politik. Immer und trotz aller Versprechen patriarchal und hinter der Fassade wieder und wieder frauenfeindlich. Ein System, das auf Suchtmechanismen setzt, auf Abhängigkeiten und uns lehrt, dass eine innere Moral nicht existiert. Zum Glück wissen einige anderes. Es gibt Licht am Horizont. Manchmal.

Ich tauge nicht zur Partei-Heroine. Ich möchte einen Beitrag leisten, der einen Unterschied macht.