Lehre, das eigene Wissen vergrößern, Erfahrungswissen erzeugen, mit Studierenden diskutieren – die eine Seite der Medaille. Die andere: keine oder kaum interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Kolleginnen, Kollegen, kaum fachlicher Austausch. Die Gründe dafür verständlich und auch mich nach und nach lahm legend: völlige Überlastung mit rund 25 Wochenstunden Lehre, also mehr Stunden als ein Grundschullehrer.

Als Hochschullehrerin war ich Teil einer öffentlichen Verwaltung. Und mehr noch, ich war Beamtin. Also hochprozentig abgesichert von einem System, das mir mein freiheitlich und auf Inhalte ausgerichtetes Engagement nur unter höchstem bürokratischen Aufwand erlaubte. Ich brauchte keine Sicherheit, merkte ich nach und nach. Ich hatte jede Sicherheit. Ich brauchte Möglichkeiten, Spielraum, Freiheit.

Einen Bleistift bekommen an einer Hochschule? Viel Vergnügen. Das kostet mehr Zeit als eine Vorlesung vorzubereiten. Ich rannte mit dem Kopf gegen diverse Wände und wollte nicht einsehen, dass Vernunft und System miteinander nicht kompatibel waren. Durchatmen in der Semesterpause. Dann funktionierte Hochschule besonders gut, ohne Studierende. Ein zynisches System? Jedenfalls: nichts für mich.

Ich habe meinen Unmut als Systemkritik formuliert, gegen Windmühlen gefochten, mich echauffiert. Wollte ent-beamtet werden. Wurde nicht ent-beamtet. Konnte nur kündigen und alles sein lassen, die Hochschule lassen und mich trennen. Und also hab ich mich entschieden, mir nicht an der Hochschule die Zähne auszubeißen, sondern meine inhaltlichen Themen weiter voran zu bringen. Kraft lässt sich nicht auf beides zugleich richten, hatte ich erlebt: Die Veränderung des Systems und die Konzentration auf die eigenen Inhalte. Beides ging nicht, ging über meine Möglichkeiten. Ich habe gekündigt und bin gegangen.

Mitgenommen habe ich den Titel der Professorin, der in Sachsen lebenslang gilt.
Ausgenommen im Fall mit den goldenen Löffeln. Wer weiß – aber: o.k. Der Titel ist in dieser Gesellschaft immer und immer wieder hilfreich ohne Ende. Danke, Sachsen! Er ist beides, Stachel im Fleisch und Ehrennadel: Er erinnert mich an meinen Einsatz, an mein Verstehen, den enormen Zuwachs an Wissen. Ich achte das sehr. Und er erinnert mich daran, wie selten Frauen an der Achtung teilhaben können, die mit diesem Titel verbunden ist.

Mitgenommen hab ich auch anderes. Viel Freiheit im Vortrag, im mündlichen Entwickeln, im 90-Minuten-Rede-Takt. Gleichzeitig das Gespür für die große Gruppe. Wo stimmt was nicht, was stimmt nicht und was ist der richtige Zeitpunkt, was die richtige Intervention, um angemessen zu reagieren? Studierende nehmen nichts übel und alles. Wir haben uns gegenseitig strapaziert. Ich habe es gut überstanden.

Mitgenommen habe ich Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gemacht habe. Das Konzept einer privaten Medienhochschule für Leipzig, mit Rose Wagner geschmiedet. Dito die Idee einer Leipziger Charta gegen Gewalt, von rechts und von links, die uns beide stundenlange Spaziergänge bescherte. Mit Gesine Märtens der Entwurf eines Campus 42. Erfahrungswissen virtuell zugänglich machen für Leute mit Zweit- und Drittstudiums-Bedarf. Konzepte für Leute mit gebrochenen Lebensläufen, die etwas anderes arbeiten müssen, als das, was sie ursprünglich gelernt haben. Die wissen, wie studieren geht. Und die mehr und gleichzeitig anderes brauchen.

Viel Aufsehen und viel Normales: Ich wurde gegautscht. Das Managermagazin berichtete drei
Seiten lang meinen Ausstieg bei Bertelsmann. TM3, damals noch ein Frauensender, brachte eine 30-Minuten-Reportage. Die FR fand mich exzentrisch. Solche Dinge. Ich fand mich nicht immer wieder. Und zugleich habe ich die Bühne sehr geschätzt. Etwas Glamour tut gut, Strahlen tut gut, Wirkung haben tut gut.

In summa: Ich hab ganztags gelebt.