Kennen Sie das? Sie entscheiden sich in aller Konsequenz, hören auf Ihre innere Stimme, ohne zu wissen, was danach kommt. Und plötzlich gibt es Geschenke. Dinge, die unmöglich schienen, geschehen.

Mir jedenfalls fiel so die Professur zu. Verlagsproduktion. Ich stürmte die Hochschule wie ein Profitcenter. Ich fegte durch Vorlesungen und Praktika, schnitt mir in kurzen Nächten lange, halbwegs kluge Vorlesungen aus den Rippen, lebte von der Hand in den Mund. Ich ackerte wie verrückt. Ich lebte auf. Ich war gezwungen zum Nachdenken, zum Begreifen.
Es war herrlich.

Ich war glücklich. Mein praktisches Verlags- und Managementwissen konnte ich immer wieder und immer neu untersetzen. Ich fing an, Erfahrungswissen zu schätzen als einen Fundus an intensivem Wissen. Erfahrungswissen, das nur und ausschließlich zur Verfügung steht, wenn Erfahrungen reflektiert werden. Ich durfte und musste genau das tun: reflektieren, systematisieren, zugänglich machen.

Die Studierenden waren wie Studierende sind: herausfordernd. War ich müde, hatten sie Diskussionsbedarf, strotzte ich vor Kraft, schliefen sie hinter der Süddeutschen ein. War ich mir nicht ganz sicher, wollten sie es genau wissen. Wußte ich es genau, winkten sie ab. Es war aufregend. Daily Coaching. Ich hörte auf, mich nach außen zu richten.

Das war schwer und nötig. Vor allem in Sachen Augenhöhe. Wie mit jungen Menschen auf Augenhöhe umgehen, ohne sich als Mutter zu fühlen, ohne sich auszubeuten. Aber auch, ohne auf Freundschaft zu setzen, sich nicht in eine Kumpanei zu begeben, nicht Komplizin zu sein. Die letzte Variante ging auch nicht: auf Distanz gehen und den allwissenden Prof zu geben. Reflektion der eigenen Arbeit, Einstieg in die Supervision: Wie mein Wissen und mein Können wertschätzen und gleichzeitig das Nichtwissen der Studierenden nicht als Mangel, sondern als Möglichkeit begreifen? Menschenbild auf dem Prüfstand. Ich verlor einiges an Arroganz. Die hatte ich, auch vor mir selbst, geheim gehalten.

Ich wurde Studiengangsleiterin für die Verlagsherstellung. Das hieß nur, Verwaltungs- und Beratungsaufwand mit Stundenerlass, die nicht erlassen werden konnten, weil es niemanden gab, diese Stunden stattdessen zu geben. Also hieß es: mehr Arbeit. Ich machte, nolens volens, mit beim Aufbau des Studiengangs Medientechnik. Das gleiche: mehr Arbeit, wenig Unterstützung, wenig Anerkennung. Dafür: eine besondere Sorte von Studierenden. Wählerisch, brillant, im Leben. Ich war neugierig, es musste sowieso sein und also leitete ich auch diesen Studiengang. Beriet, unterstützte, regte mich auf.

Mir wurde langsam die Bedeutung von Vorbildfunktionen, Engagement und positivem Umgang mit Veränderungsprozessen in der Hochschule klar. Ich sah das Wesen einer inneren Haltung für die Lehre, für Studierende – nicht nur für erfolgreiches Unternehmertum. Mir gingen noch einmal zehn Lichter auf: nicht die Methode macht es, sondern die Haltung hinter all dem.

Auch wenn es Methoden gibt, die bestimmte Haltungen forcieren. Die es uns leicht machen, Verantwortung tatsächlich zu tragen, Klarheit und Transparenz zu schaffen. Ich kann alles torpedieren. Dafür kann die Methode nichts. Mit dieser Erkenntnis entwickelte ich weiter vor mich hin: Projekt- und Produktmanagement als Methoden für die Verlagsbranche. Sie wurden mein Anliegen, weil damit auch in der Hochschule Haltungen und Einsichten transportierbar waren. Und en passant Formen wirtschaftlichen Arbeitens beschreibbar wurden. Formen, die die Branche mehr als dringend nötig hatte.

Ich setzte also auf die Theorie und entwickelte praxisnahe, erfolgreiche und gleichzeitig menschenwürdige Lösungen. Ich hatte einen guten Kraftpunkt erwischt. In allen Seminaren und Praktika der Druck-, Verpackungs- und Medientechnik und natürlich der Verlagsherstellung wurde Projektmanagement ein selbstverständlicher Schwerpunkt. Es war überraschend, es war jedes Mal anders und es war klasse.

Als die Akademie des deutschen Buchhandels ihr zweites oder drittes Seminar konzipierte, war ich dabei. Aufbau und Entwicklung. Schönes Tun, gutes Umfeld. Danke Brigitte Bauer, Danke Richard Wolf. Ich war richtig gern dabei, bis Anfang 2000. Spannende Seminare, noch große Selbstzweifel bei mir und also große Achtsamkeit für die Menschen mir gegenüber. Jede Rückmeldung dreimal verdaut. Sehr intensiv, sehr konkret. Und zuletzt herzlich unbefriedigend: Veränderungen müssen in den Verlagen stattfinden, nicht nur bei einzelnen Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern. Die womöglich zu Motivationszwecken bei mir im Seminar gelandet waren. Treppen werden bekanntlich von oben gekehrt.

Gehörte ich möglicherweise eher vor Ort als vor die Tafel?